"Zuletzt wurden
Rekordwerte erreicht."

Insider in diesem Beitrag:
Stellvertretende Delegationsleiterin Deutschland
  • Ilka Wagner
  • Stellv. Delegations­leiterin
  • Deutschland

Der Meeresspiegel der Nordsee steigt

An mehreren Messstellen ist der Pegel der Nordsee seit den 70er-Jahren spürbar gestiegen. Wissenschaftler begründen das unter anderem mit dem vom Menschen gemachten Klimawandel. Das ist das Ergebnis einer Datenanalyse des Recherchebüros CORRECT!V, das dafür drei Millionen Datensätze ausgewertet hat.

In den vergangenen 40 Jahren ist der Meeresspiegel der Nordsee messbar gestiegen – an einigen Messstellen um 20 Zentimeter. Seither steigt der Pegel schneller. Für diese Analyse hat das Recherchebüro CORRECT!V die Daten von 32 Pegelmessstellen an der Nordseeküste ausgewertet. Die meisten Daten stammen aus der Zeit zwischen 1950 und Ende 2014.

An nahezu allen Messstellen lässt sich der Anstieg des Meeresspiegels über lange Zeiträume beobachten. Wissenschaftler begründen das zur Hälfte mit dem Klimawandel und der globalen Erwärmung. Wo der Pegel für kurze Phasen vorübergehend sinkt, hängt das mit regionalen Besonderheiten oder kurzfristigen Wetterphänomenen zusammen. Insgesamt hat CORRECT!V rund drei Millionen Datensätze aus 32 Messstellen entlang der deutschen Küste ausgewertet.

Kontinuierlicher Anstieg ist nachweisbar

"Die Pegel steigen
an Nord- und Ostsee."Jacobus Hofstede, Umweltministerium
Schleswig-Holstein

„Über alle Messpunkte betrachtet ist ein Anstieg des Meeresspiegel zu beobachten“, sagt Jacobus Hofstede, Wissenschaftler im Umweltministerium Schleswig-Holstein. Diese Aussage treffe für alle Pegel an der Ost- und Nordsee zu, seit mehr als 100 Jahren. Auf ein Jahr gerechnet sei der Anstieg mit weniger als drei Millimetern gering.

CORRECT!V hat zur Beobachtung der langfristigen Trends jeweils Mittelwerte der höchsten Wasserstände jeder Flut über ein Jahr beziehungsweise fünf Jahre gebildet. Das erlaubt zwar keine Aussage über den durchschnittlichen Anstieg des mittleren Meeresspiegels. Allerdings macht diese Methode den kontinuierlichen Anstieg des Wassers um rund 20 Zentimeter entlang der gesamten Küste gut sichtbar. Der Pegel Hörnum auf Sylt stieg zum Beispiel von etwa 5,80 Meter im Jahr 1951 auf über 6 Meter im Jahr 2014; am Pegel Mellumplate von 6,25 Meter im Jahr 1971 auf 6,47 im Jahr 2014; am Pegel Norderney Riffgat von 6,08 im Jahr 1971 auf 6,23 im Jahr 2014.

Schuld ist zur Hälfte der Klimawandel

"In der jüngsten Zeit wurden Rekordwerte erreicht."Stefan Rahmstorf, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Derzeit schätzt Hofstede, dass rund 50 Prozent des beobachteten Anstiegs bereits auf den von Menschen gemachten Klimawandel zurückzuführen sind. Bis zum Ende des Jahrhunderts rechnet der Wissenschaftler mit einem Anstieg von bis zu 50 Zentimetern. „In der jüngsten Zeit wurden Rekordwerte erreicht“, sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Jürgen Jensen, Leiter des Lehrstuhls für Hydromechanik an der Universität Siegen, warnt allerdings vor voreiligen Schlüssen. „Wir wissen auch, dass es früher ähnliche Phasen gab. Wir können deswegen noch nicht sagen, ob es sich aktuell schon um die Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs handelt, die Klimaforscher für das 21. Jahrhundert erwarten.“ Doch auch nach seiner Einschätzung beschleunigt sich derzeit der Trend des Wasseranstiegs. Er schätzt die Steigerungsraten seit Anfang der 70er-Jahre auf durchschnittlich 3,8 Millimeter im Jahr. In den 90er-Jahren habe sich dieser Trend noch einmal verstärkt.

 

Die Einschätzung zur Bedeutung solcher Studien von Ilka Wagner, stellvertretende Leiterin der deutschen Delegation auf dem Weltklimagipfel in Paris 

Datenlage lässt noch keine gesicherte Prognose zu

Wie sehr sich die Entwicklung aufgrund der steigenden Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre verstärken wird, ist noch offen, sagt Jensen: „Wir wissen, dass der Anstieg des Meeresspiegels zeitlich verzögert zu Klimaänderungen auf der Erde einsetzt. Er hat einen gewissen Nachlauf.“ Anders formuliert: Es kann noch viel heftiger werden, als jetzt schon beobachtet wird.

Die Pegeldaten, die von CORRECT!V ausgewertet wurden, weisen einige Mängel auf. So sind nahezu alle Pegel an der Elbe direkten menschlichen Einflüssen unterworfen. Der besonders starke Anstieg zum Beispiel am Pegel Hamburg St. Pauli ist nur zu einem sehr geringen Teil auf den Klimawandel zurückzuführen. Stärkeren Einfluss hat der Ausbau der Elbe. Der Pegel Tönning weist eine zum Teil gegenläufige Entwicklung zum allgemeinen Trend auf – weil an der Mündung des Flusses Eider in die Nordsee gearbeitet wurde.

Trend ist überall eindeutig

Weiter sind gerade ältere Datensätze vor 1970 nur mit großer Vorsicht auszuwerten. Pegel messen immer den relativen Abstand von einem Nullpunkt im Gewässergrund zum Meeresspiegel. Immer wieder kommt es zu Landabsenkungen. So erklärt sich ein Teil des Pegelanstiegs unter Umständen mit dem Absinken des Pegels selbst. Zudem kann der Meeresspiegel innerhalb von wenigen Monaten um mehr als 20 Zentimeter steigen oder fallen. An den langfristigen Trends ändert das aber nichts. Jensen sagt: „Erst seit den 90er-Jahren haben wir durch satellitengestützte Messungen verlässlichere Daten, die genauere Aussagen erlauben.“

Doch trotz dieser Ungenauigkeiten ist der Trend über alle Pegel eindeutig, sagt Jensen. „Der Anstieg des Meeresspiegels ist anhand der Daten ablesbar.“ Sprich: Das Wasser steigt. Das ist eindeutig, auch wenn die Messdaten ein wenig ungenau sind.

Küstenschutz rechnet mit 50 Zentimetern mehr

Für den Küstenschutz hat die Erkenntnis konkrete Folgen, bestätigt Jacobus Hofstede vom Umweltministerium Schleswig-Holstein. „Hinsichtlich des Küstenschutzes ist die Situation ernst“, schreibt er in seiner Studie. Sollte sich der Anstieg auf drei oder gar fünf Millimeter pro Jahr verstärken, „muss spätestens in einigen Jahrzehnten mit verstärkten Küstenabbruch gerechnet werden.“ Sollte der Anstieg noch heftiger ausfallen, würde das Wattenmeer Schaden nehmen. Die gesamte deutsche Küste würde sich verändern. Die Deiche entlang der Nord- und Ostsee werden verstärkt. Ein 50 Zentimeter steigender Pegel an der Nordsee ist dabei berücksichtigt. Jensen schreibt in einer Studie: „Die Veränderungen des Meeresspiegels sind die größten Herausforderungen, denen sich die Menschheit im Rahmen des Klimawandels stellen muss.“

Text/Grafik: CORRECT!V
Video: Babette Hnup

3 Kommentare zu
Der Meeresspiegel der Nordsee steigt
  • Warschkau schreibt:

    Wieviel Land muss man der Nordsee zurück geben, um größere Überschwemmungen bei Stumfluten zu vermeiden? Es wäre ja nicht gut,immer nur die Deiche zu erhöhen.

    Eddy Warschkau

  • Steuben schreibt:

    Dass die Klima- und Meeresforscher immer so schnell den vom Menschen gemachten Klimawandel für alles verantwortlich machen. Es kann doch auch sein, dass der materielle Eintrag in die Meere für die Anstieg verantwortlich ist. Beispielsweise der Salzeintrag aus unseren Kläranlagen oder der zunehmende globale Warentransport über die Meere. Jedes neu zu Wasser gelassene Schiff erhöht den Meeresspiegel (das kennen wir doch, wenn wir in die Badewanne steigen. Dann läuft auch schon mal die Wanne über). Das ist doch auch eine feine Korrelation, nicht wahr?

  • Günther Eigentler schreibt:

    Eine Achterbahnfahrt im Klimawandel (2009 veröffentlicht)

    Schlägt man Internetseiten unter dem Begriff „“Weltklima““ auf, finden sich immer wieder Sätze wie diese: „Die Meeresspiegel steigen in diesem Jahrhundert voraussichtlich zwischen 18 und 59 Zentimeter.“
    Ich stelle die obige Annahme in Frage und lade den Leser zu einem zugegebenermaßen gewagten Ausflug ein, dessen Ergebnis bis dato erstaunlicherweise niemandem außer mir seit etwa zehn Jahren zu schaffen macht.
    Es wird wohl so sein, dass die meisten von uns sich zu Beginn dieses Ausfluges etwas schuldbewusst einräumen müssen, heute abermals mit dem Pkw zur Arbeitsstätte gekommen zu sein. Eine Vielzahl von Autos steht bereits in der Tiefgarage und wartet darauf, erneut in Betrieb genommen zu werden. Die überwiegende Mehrheit dieser Fahrzeuge wird mit einem gängigen Treibstoff betrieben, ein Umstand, der von Wissenschaftlern u. a. als eine Ursache für die Erderwärmung angesehen wird. Lassen wir diese Tatsache aber etwas beiseite und denken wir zunächst an alle Verkehrsmittel auf der Welt, die mit einem der gängigen Treibstoffe in Betrieb genommen werden. Eine unvorstellbare Summe stellt sich ein. Der Treibstoff-verbrauch für deren Inbetriebnahme dürfte wohl die Milliarden-Tonnen-Grenze alljährlich locker überschreiten. Das Material für diese Treibstoffe stammt bekanntlich aus dem Inneren der Erde.
    Hängt man diesem Gedanken weiter nach, wird man feststellen, dass in unserem Planeten riesige Hohlräume entstanden sein müssen, deren ursprünglicher Inhalt zu Plastik, Benzin, Heizöl oder zu einer Unmenge anderer Produkte geworden ist. Nochmals die eine oder andere Milliarde jährlich. Und das schon seit vielen Jahrzehnten.
    Was geschieht jedoch in diesen Hohlräumen? Die Annahme, dass sie zu einem Gutteil mit Wasser aufgefüllt werden, scheint vertretbar. Sollte diese Mutmaßung zutreffen, wäre erklärt, weshalb die Bewohner zahlreicher Küstengebiete bislang nicht Tauchgänge im Keller haben vornehmen müssen. Das beruhigt vorerst.
    Von den Folgen verschont bleiben wird man, so fürchte ich, dennoch nicht. Der Grund liegt wohl in der Konsistenz der neu entstandenen Masse. Diese ist mit der ursprünglichen logischerweise nicht ident. Mögliche Folgen: Instabilität im Erdinnern, welche nach meiner Auffassung – wie jüngst auf dem südamerikanischen Kontinent – etwa zum „unerklärlichen“ Verschwinden von Seen führen kann; Verlagerung des magnetischen Pols in Richtung Osten; Änderung des Tempos seiner Wanderung; Umgestaltung der Meeresströmungen; Beeinträchtigung der Windsysteme, etc., etc.
    Ich denke, ich sollte hier meinen Beitrag beenden und dessen Inhalt kurzerhand dem Reich einer gnadenlos blühenden Phantasie überantworten. Das garantiert zumindest den Schlaf.

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