Funktion: Berater
Die Aufgabe
Wenn in Paris die Verhandlungen in die entscheidende Phase gehen, beginnt für Hans Verolme die Zeit des Phrasen-Pokers. Der Niederländer, der mit seiner Familie in Berlin lebt, gehört zur Gruppe derer, die auf den Verlauf der Verhandlungen und dessen Ergebnisse am Ende so viel Einfluss nehmen wie die Verhandler selbst. Er lässt sich von Delegierten erzählen, welche Formulierungen aus dem Vertragsentwurf in welcher Weise diskutiert werden, versucht, Zusammenhänge herzustellen, und berät seine Klienten darin, mit welcher Strategie sie in die nächste Runde gehen.
Der Entwurf, mit dem die Delegierten zu Beginn des Gipfels in die Verhandlungen gehen, hat über 50 Seiten. Darin stehen noch viele Formulierungen, die einander entgegen stehen und die vielen verschiedenen Positionen der Länder repräsentieren. Damit daraus ein Vertrag wird, auf den sich alle einigen können, sind viele Kompromisse notwendig. Verolme ist einer derer, die in vielen Gesprächen und Workshops im Hintergrund an den Lösungen arbeiten.
"Es macht etwas mit dir,
wenn du Landschaften vertrocknen siehst."Hans Verolme
Als strategischer Berater arbeitet der 51-jährige Niederländer für Regierungen und Nicht-Regierungsorganisationen aus Nordamerika, Asien und Afrika. Welche – darüber spricht er nicht. Seine Arbeit fußt auf dem Vertrauen, das seine Klienten zu ihm haben. Keinem Land und keiner NGO gefiele es, wenn während eines Klimagipfels bekannt würde, für wen ihr Berater sonst noch arbeitet. In den vergangenen Monaten unterstützte er beispielsweise ein Land dabei, die freiwilligen Klimaschutz-Ziele zu berechnen. Das Einzige, was er verraten möchte: „Aus persönlicher Überzeugung arbeite ich nur für die progressiven Länder, die es ernst meinen mit dem Kampf gegen den Klimawandel.“ Ob das stimmt, ist nicht überprüfbar. Er hat keine Website und keine Broschüren. Verolme ist einer der Unsichtbaren von Paris.
Der Übersetzungsservice
In die Verhandlungen um den neuen Klimavertrag fließt seine gesamte persönliche wie berufliche Biographie. Er beriet die britische Regierung und war Direktor des globalen Klimawandel-Programms beim WWF. Warum ihn der Klimawandel nicht loslässt? „Es macht etwas mit dir, was man in Worten nicht beschreiben kann, wenn man in der Arktis sieht, wie ein Teil eines Eisbergs ins Wasser stürzt oder in Afrika Landschaften vertrocknen.“ Seine Aufgabe sieht er deshalb auch darin, die abstrakten Begriffe aus dem Klimavertrag in eine Sprache zu übersetzen, die diejenigen verstehen, die der Klimawandel jetzt schon unmittelbar trifft. Dorthin, wo aus dem Wort „Adaption“ konkrete Maßnahmen werden, die Menschen dabei helfen, mit den Folgen des Klimawandels zurecht zu kommen. „Ich würde sonst verrückt werden, wenn ich pro Woche nur ein Komma im Vertragstext verschieben könnte und das Fortschritt nennen müsste.“
Sein Ziel
Verolme verfolgt in Paris ein großes Ziel. Das Abkommen muss sicherstellen, dass die Temperaturerwärmung nicht über die zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter hinausgeht. Er sitzt da in einer komfortableren Situation als viele Delegierte. Verolme weiß, in welcher Zwangsjacke viele oft stecken. Sie müssen mitunter in der Öffentlichkeit Positionen verkaufen, die sich nicht mit ihren eigenen Überzeugungen decken. Die Kurzfristigkeit, mit der Regierungen ihre Entscheidungen treffen, und die Ambitionen, mit der viele Delegierte in die Verhandlungen gehen, sind so unterschiedlich wie Sprinter und Marathonläufer. Doch Verolme ist überzeugt: „In Paris wird nur erfolgreich verhandeln können, wer über die Kurzzeit-Ziele seiner Heimatländer hinausblickt.“ Dazu seinen Teil beizutragen, ist sein größter Ehrgeiz.
Kai Schächtele