Oleg Shamanov ist eine der schillernden Figuren auf dem Verhandlungsparkett. Er hat großes Fachwissen, Spaß am Verbalduell und gibt seinen Gesprächspartnern stets das Gefühl, sich auf sie einzulassen. Allerdings sagt er dabei fast nichts. So versucht der russische Delegationsleiter auch, sein Heimatland vor zu ehrgeizigen Klimaschutz-Zielen zu bewahren. Eine Kurs in Klima-Diplomatie in fünf Lektionen.
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Die Krallen des Braunbären
Beim Klimagipfel verhandeln 10 000 Delegierte über Grundlagen und Form eines neuen Klimavertrags. Es gibt nur wenige, die so bekannt sind, dass sie jeder sofort erkennt. Claudia Salerno aus Venezuela ist so eine: Wenn sie bei den Verhandlungen spricht, in einer Mischung aus Staatschefin und genervter Hollywood-Diva, verdrehen die einen die Augen und die anderen fangen an zu träumen. Sie schafft es, in einem Satz zu erklären, dass sich Venezuela schon immer dafür ausgesprochen habe, die Erderwärmung auf 1 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, den Begriff „Dekarbonisierung“ aber für inakzeptabel zu erklären. Venezuela fürchtet um den Fortbestand seiner Öl-Geschäfte.
Ein anderer ist Oleg Shamanov. Der Leiter der russischen Delegation hat die Aufgabe, sein Heimatland vor den Übergriffen eines zu ambitionierten Klimavertrags zu schützen. Wenn er spricht, schlagen die einen die Hände über dem Kopf zusammen, andere ballen die Faust. „Das ist der Schlimmste“, raunt einem ein NGO-Mitarbeiter zu, wenn man ihm zusammen auf dem Flur begegnet. Trotzdem ist er unter seinen Kollegen beliebt. Das liegt vor allem an seiner Art. Ein Gespräch mit ihm ist wie ein Fechtkampf: Man gibt sich die Hand, bringt sich in Position und der Schlagabtausch beginnt – elegant in der Form, aber immer auf den Sieg aus.
1. Wie Shamanov sein Heimatland zum Umweltschützer macht
Vor Beginn des Gipfels galt Russland als einer der Blockierer in den Verhandlungen. Das Land ist so einseitig von seinen klimaschädlichen Erdgas-und Ölförderungen abhängig, dass es nur zu wenigen Zugeständnissen bereit sein würde. Nur drei Länder blasen mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre. Wenn Shamanov über die Klimaschutz-Ziele seines Landes in der Zukunft sprechen soll, erzählt er deshalb erst einmal davon, wie erfolgreich Russland in der Vergangenheit war. Es ist ein relativ simpler Trick: In den neunziger Jahren ist der CO2-Ausstoß Russlands nur deshalb gesunken, weil nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein Teil der russischen Wirtschaft eingebrochen ist.
2. Wie Shamanov Russlands Strategie verteidigt
Pro Tag verdient Russland rund 700 Millionen Euro mit seinen fossilen Energien. Wenn der Klimavertrag die Gleise legen würde in eine Weltwirtschaft ohne fossile Brennstoffe, würde Russland nichts weniger als seiner Enteignung zustimmen. Und Shamanov hätte die Aufgabe, seinen Landsleuten zu erklären, dass sie freiwillig auf Wohlstand und Wachstum verzichten sollten. So reagiert er auch, wenn man ihn darauf anspricht.
3. Wie Shamanov Fragen nicht beantwortet
Es ist schwer vorstellbar, dass Russland einem Abkommen zustimmen wird, das ernst zu machen versucht mit der CO2-freien Welt. Beobachter sind allerdings überrascht, wie Russland beim Klimagipfel bislang aufgetreten ist. Shamanov muss sein Land so im Spiel halten, dass es gerade konstruktiv genug mitspielt, um am Ende nicht als der große Blockierer eines ehrgeizigen Abkommens dazustehen. Wie er das macht? Indem er zum Beispiel auf die Frage, ob Russland hier das schwarze Schaf sei, einfach nicht antwortet.
4. Wie Shamanov zu dem wurde, was er heute ist
Müsste man den Idealtyp eines Klimadiplomaten definieren: Oleg Shamanov wäre ein guter Kandidat. Eigene Ziele so hoch verkaufen, dass man das Gefühl hat, einem Umweltschützer gegenüber zu sitzen, und auf die anderen verweisen, die beim Klimaschutz vermeintlich viel weniger Ehrgeiz an den Tag legen – das sind die beiden Grundregeln dieses Jobs. Die beherrscht er in bester Manier – und immer mit Einstecktuch im Sakko.
5. Wie Shamanov schließlich auf die Frage reagiert, ob er der Bad Guy der Klimakonferenz ist
Text: Kai Schächtele, Tina Friedrich
Video: Philipp Katzer
Foto: Christian Frey