Saleemul Huq, Bangladesch

Saleemul Huq

Land: Bangladesch
Funktion: Berater der Least Developed Countries (siehe Glossar)

Die Aufgabe

Saleemul Huq ist der Souffleur der 49 vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder. Sein offizieller Status lautet „Observer“. Er gehört damit zu der großen Gruppe, die auf das, was in den Verhandlungsräumen geschieht, von außen Einfluss nehmen. Für das Verhandlungsergebnis ist ihre Rolle genauso bedeutsam wie die Verhandler selbst. Seit 1995 reist Huq zu den Verhandlungen, Paris wird sein 21. Gipfel sein.

Seine Arbeitstage sehen so aus: Jeden Morgen baut der 63-Jährige sein mobiles Büro auf: Tablettcomputer, Telefon, eine Tasse Kaffee, immer am gleichen Tisch, damit er für jeden schnell zu finden ist, der seinen Rat sucht. Zu ihm kommen Delegierte aus den LDCs, wenn sie das Gefühl haben, gegen die Macht der Industriestaaten nicht anzukommen, und wenn sie wissen wollen, mit welcher Strategie sie in den Verhandlungsraum zurückkehren sollen. Dann hört sich Huq an, worüber gerade dort gesprochen wird, wozu er selbst keinen Zutritt hat, und schlägt Strategien und Taktiken, aber auch konkrete Formulierungsvorschläge für den Vertragstext vor. Wenn er einmal nicht am Tisch sitzt, dann meistens, weil er gerade in einer Pressekonferenz sitzt, um die Forderungen der ärmsten Staaten des Planeten zu artikulieren. Ihnen eine Stimme zu geben – das ist sein innerer Auftrag.

"Wenn die Industriestaaten zu keinen echten Zugeständnissen bereit sind, wird das hier mein letzter Gipfel sein."Saleem ul Huq

Paris wird für ihn zeigen, ob die Industriestaaten die Stimme der Ärmsten wirklich wahrnehmen und zu Zugeständnissen bereit sind. „Wenn das nicht passiert, wird dies mein letzter Gipfel sein. Dann brauche ich hier nicht mehr meine Zeit zu vergeuden. Es gibt zuhause genug zu tun.“ Huq hat die Auswirkungen des Klimawandels gewissermaßen vor der eigenen Haustür. Er lebt an der Südküste Bangladeschs, dort, wo schwere Hurrikane regelmäßig das Land verwüsten. Huq aber hat sich vorgenommen, sich von der Verzweiflung nicht auch noch selbst davon spülen zu lassen. Die Grundposition seines Mundes ist ein feines Lächeln. Er trägt den Ärger lieber in die Strukturen der Klimapolitik als in sein eigenes Gemüt.

Die Situation zuhause

In Bangladesch ist Huq Direktor des „International Center for Climate Change and Development“ an der Independent University of Bangladesh. Er betreibt ein Masters-Programm, das Menschen im Umgang mit den Auswirkungen des Klimagipfels schult. Dazu gehören Frühwarnsysteme bei schweren Unwettern genauso wie die Anpassungen der Wirtschaft an die klimatischen Veränderungen. Sein Heimatland ist eines der ärmsten der Welt. Abhängig von der bengalischen Bucht im Süden und den beiden Flüssen Ganges und Brahmapuhtra könnte es vom Klimawandel besonders hart getroffen werden: Bis 2100 könnten größere Teile des Landes unter Wasser stehen, wenn die Gletscher des angrenzenden Himalaya-Gebirges abschmelzen, der Meeresspiegel steigt und die Monsunregen immer stärker werden.

 

181 Millionen Menschen auf dem halben Platz Deutschlands 

Die wichtigste Zone des Landes ist das fruchtbare Flussdelta, in dem Reis, Tee und Jute angebaut werden. Das relativ stabile und große Wirtschaftswachstum von jährlich rund sechs Prozent hat das Land vor allem seiner wachsenden Bevölkerung zu verdanken –181 Millionen Menschen leben in dem Staat, der nur etwa halb so groß ist wie Deutschland. Wegen seiner Textilindustrie ist Bangladesch in hohem Maße von Europa, Indien und sogar den Ölstaaten abhängig: Rund 7,5 Millionen Gastarbeiter aus Bangladesch auf der arabischen Halbinsel sorgen für wichtige Devisen. Ihre Überweisungen von rund zehn Milliarden Euro machen inzwischen rund zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Fazit

Trotz seiner Verbindungen zu den Industriestaaten einerseits und den Öl-Ländern andererseits wird Bangladesch, gemeinsam mit den anderen LDCs, auf ein starkes Abkommen dringen. Für Huq ist das eine Frage des schieren Überlebens. Sein wichtigstes Ziel ist es deshalb zu erreichen, dass die Weltgemeinschaft sich nicht auf 2 Grad als Obergrenze der maximalen Temperaturerwärmung einigt, sondern auf 1,5. „Wenn wir in Paris 2 Grad als Obergrenze akzeptieren, dann senden wir die Botschaft in die Welt, dass sich die Welt um 100, 200 Millionen Menschen in den ärmsten Regionen nicht mehr kümmern wird.“

 

Text: Kai Schächtele
Audio: Nina Zimmermann
Recherche: Annika Joeres, CORRECT!V

Erklärtes Verhandlungsziel:

substantielle Zugeständnisse der Industrieländer

Problem:

Den Forderungen nach weitreichenden Klimaschutz-Zielen stehen die Interessen der Fossil-Länder entgegen

Bevölkerung aktuell:

150,0 Millionen

Bevölkerungsentwicklung bis 2050:

+34,7 Prozent

Wirtschaftsleistung pro Kopf:

957 US-Dollar

Wichtigste Industrie:

Textil

Rang im Wohlstandsindex der UN:

Platz 142

CO2-Fußabdruck:

0,4 Tonnen pro Kopf und Jahr

Rang im Weltklimaindex von Germanwatch:

nicht gelistet (es sind nur die 61 größten Emittenten aufgeführt)

Die anderen Insider
  • Stellvertretende Delegationsleiterin Deutschland
  • Ilka Wagner
  • Deutschland
  • Stellv. Delegations­leiterin
Mehr zu:
Saleemul Huq

Die Kamerateams umringen ihn, die Delegierten brauchen ihn. Saleemul Huq aus Bangladesch berät auf dem Klimagipfel die ärmsten Länder. Er nutzt das große Medieninteresse aber auch leidenschaftlich für seine Botschaft: Mit der Einigung auf das Zwei-Grad-Ziel würde die Weltgemeinschaft 100 Millionen Menschen abschreiben – nur mit 1,5 Grad wären alle gerettet.

Der Biologe Saleemul Huq hat die Auswirkungen des Klimawandels direkt vor der Haustür. Er stammt aus dem Süden von Bangladesch, wo Stürme und der ansteigende Meeresspiegel die Lebensgrundlagen seiner Landsleute zerstören. In Paris kämpft er dafür, diese Entwicklung zu stoppen. Das Symbol dafür sind zwei Ziffern.  Mehr lesen